Ophélie Thénot ist Sportpsychologin FSP und Mentaltrainerin.Sie begleitet Sportler\*innen aller Leistungsniveaus bei der Bewältigung von Druck, Leistungsstress und mentalen Herausforderungen im Wettkampf. In diesem Gespräch teilt sie praktische Tipps, um die Mechanismen von Druck im Fussball besser zu verstehen – und Strategien, um damit umzugehen.
Ophélie Thénot gibt ihre Ratschläge weiter
Warum kann ein-e Spieler-in im Training hervorragend sein – und im Spiel trotzdem überfordert wirken?
Die Umgebungen sind sehr unterschiedlich. Im Training bewegt man sich in einem vertrauten Rahmen, ohne echten Leistungsdruck. Man konzentriert sich auf die Technik, auf den Prozess. Im Spiel dagegen kommt der Druck hinzu: Man wird beobachtet, bewertet, und das Ergebnis rückt in den Vordergrund. Das beansprucht den mentalen Bereich auf eine ganz andere Weise. Jede\-r reagiert entsprechend seinem Selbstvertrauen und seiner bisherigen Erfahrung. Genau hier wird mentales Training zu einem echten Vorteil.
Welche Faktoren beeinflussen den empfundenen Druck im Spiel am stärksten?
Es gibt mehrere Quellen für Druck, die je nach Spieler-in unterschiedlich wirken. Manche sind häufig anzutreffen – zum Beispiel der Druck durch die Tabellenlage, verbunden mit Gedanken wie: „Wir dürfen gegen diese schlechter platzierte Mannschaft nicht verlieren.“ Auch der Vergleich mit Mitspielern ist ein verbreitetes Thema, besonders bei jungen Sportler-innen in der Entwicklung. Manchmal spielt auch das Publikum eine Rolle, aber am häufigsten nennen die Spieler-innen den Einfluss der Trainer. Sie fühlen sich ständig bewertet, und die Worte des Coaches können eine enorme Wirkung haben – im positiven wie im negativen Sinne. Deshalb ist es entscheidend, dass Trainer konstruktives Feedback geben. Auch eine kritische Rückmeldung kann hilfreich sein, wenn sie gut formuliert ist. Das ist natürlich nicht immer einfach – aber es kann jungen Spieler*innen mental und sportlich enorm weiterhelfen.
Welchen Rat würden Sie einem jungen Spieler oder einer jungen Spielerin geben, um besser mit Stress umzugehen?
Schon einfache Werkzeuge können einen grossen Unterschied machen: Atemübungen, Visualisierungen oder das Entwickeln von Routinen vor dem Spiel. Das kann ein bestimmter Handgriff beim Schuheanziehen sein, motivierende Musik oder ein Schlüsselwort, das man sich selbst sagt. Ziel ist es, eine Konzentrationszone zu schaffen – eine mentale Blase. Diese Gewohnheiten entstehen schrittweise, wie bei körperlichem Training.
Kann man die mentalen Bedingungen eines Spiels im Training wirklich simulieren?
Nie ganz genau – aber man kann sich annähern. Zum Beispiel, indem man im Training ein Spiel organisiert, bei dem ein Team mit einem fiktiven 0:2-Rückstand startet. Dadurch entstehen ähnliche Emotionen wie im Wettkampf: Frustration, Ungerechtigkeit, Druck. Die Spieler*innen lernen so, sich mit diesen Emotionen in einem geschützten Rahmen auseinanderzusetzen. Ideal wäre, wenn ein Sportpsychologe in solchen Situationen anwesend wäre, um den Spieler-innen zu helfen, ihre Gefühle zu benennen und emotional damit umzugehen.
Welche Routinen empfehlen Sie?
Es gibt kein Patentrezept: Manche bevorzugen Atemtechniken, körperliche Verankerungsübungen, Visualisierungen oder positive Selbstgespräche wie „Ich bin bereit“ oder „Ich bleibe im Spiel“. Wichtig ist, dass die Methode zur Persönlichkeit des-der Spielers-in passt. Ziel ist es, Werkzeuge zur Verfügung zu haben, um schwierige Momente während des Spiels besser zu bewältigen. Und wie die körperliche Fitness werden diese Routinen im Training vorbereitet – lange vor Saisonbeginn.