Die grosse Überraschung an der Euro 2025
Mit 19 Jahren steht die Freiburgerin Leila Wandeler vor ihrer ersten Europameisterschaft mit der Schweizer Nationalmannschaft. Ein unerwartetes Sprungbrett für die ehemalige Spielerin des Team AFF-FFV.

Noch bevor sie lesen konnte, wusste Leila Wandeler genau, wo sie hingehörte: auf den Fussballplatz. Die aus Matran stammende Freiburgerin wuchs in einer Familie auf, in der der Ball zum Alltag gehörte. Ihr Vater, ein ehemaliger Amateurspieler, nahm sie regelmässig zu den Trainings ihres Bruders mit. Schon bald tauschte sie die Zuschauerrolle gegen die Spielerin ein. Kaum betrat sie das Spielfeld, wollte sie es nicht mehr verlassen.
Doch es ist tausende Kilometer entfernt – in Dakar –, wo sich ihr Charakter wirklich formt. Als die Familie nach Senegal zieht, entdeckt die junge Leila eine Welt, in der Frauenfussball keinen Platz hat. Das lokale Zentrum, nur für Buben, verweigert ihr den Zugang. Aber das lässt sie nicht gelten: Sie besteht, sie kämpft, sie überzeugt. Die ersten Kontakte sind hart, doch durch ihr Spiel, ihre Entschlossenheit und ihre Lust auf Herausforderungen setzt sie sich durch.
Eine prägende Erfahrung. Auch neben dem Platz will sie nicht hinterherhinken: Bei einem Kinderlauf geht es ihr nicht um eine gute Platzierung – sie will gewinnen. Selbst wenn sie alle Buben hinter sich lässt, reicht ihr eine Medaille nicht, wenn es nicht die für den Gesamtsieg ist. Der Wettbewerbsgeist ist tief verankert – ein Anspruch an sich selbst, der sie nie mehr verlassen wird.
Zurück in der Schweiz – und bereit, Regeln zu sprengen
Mit zwölf Jahren stösst Leila nach einem Sichtungstraining zum Team AFF-FFV. In der M13 und später M14 wird sie ins nationale Zentrum in Biel aufgenommen, wo sie schnelle Fortschritte macht. Zurück in der Region mischt sie weiter mit – bei den Buben bis zur M16, wo viele Mädchen längst aufgehört haben. „Es ist extrem selten, dass eine Spielerin auf diesem physischen Niveau noch den Unterschied macht. Leila tat es, sie dominierte das Spiel“, sagt Florian Barras, ihr damaliger M15-Trainer. Und es ist eben jener Barras, der das aussergewöhnliche Potenzial der jungen Freiburgerin erkennt – und ein Best-of-Video an Olympique Lyon schickt. YB zeigt zu dieser Zeit zwar Interesse, aber Barras setzt höher an. Und er behält recht: Lyon lädt sie ein, testet sie mit dem Reserveteam – und verpflichtet sie kurz darauf. Da ist sie gerade mal 16 Jahre alt.
Lyon, Verletzungen – und der Neustart
Doch diese Geschichte ist kein Märchen. Im September 2023 wird Leila am Knöchel operiert – sieben Monate ohne Spiel. Ein Rückschlag verzögert ihr Comeback zusätzlich. In dieser Zeit wird sie erstmals von Pia Sundhage für die A-Nationalmannschaft aufgeboten… muss aber nach zwei Tagen wieder abreisen. Frust? Ja. Aufgabe? Nein. Im April 2024 steht sie zum ersten Mal in der Startelf der französischen D1. Im Frühling erzielt sie dann sogar ihr erstes Profitor – perfektes Timing, zwei Monate vor der Euro.
Donnerstag, Testspiel gegen Tschechien: Leila wird in der 65. Minute eingewechselt. Ihr allererster Auftritt im Trikot der A-Nati. Und wenig überraschend: Sie zeigt denselben unbedingten Willen wie einst auf den Plätzen von St-Léonard – den Willen zu siegen. Hat die ehemalige AFF-FFV-Spielerin nicht auch gleich eine Torvorlage geliefert?
Die Euro 2025 ist für sie wohl nicht das Endziel, sondern ein Etappenziel, ein Testlauf auf grosser Bühne.
Mit ihrer Nominierung – ohne sie wirklich zu kennen – hat Sundhage ein Zeichen gesetzt:
Dieses Mädchen will sie spielen sehen.